Kath. Kirche St. Bonifatius
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Labyrinthtypen |
Es scheint sehr sicher, dass das Wort Labyrinth schon der minoischen Kultur auf Kreta angehörte. Man nimmt an, dass es sich dabei um einen Gruppentanz handelte. Die Labyrinth-Figur hatte eine choreographische Bedeutung. Sie skizzierte den Bewegungsablauf des Labyrinth-Tanzes. Die Forschung geht davon aus, dass "Labyrinthos" ursprünglich einen Tanz meinte, dessen Bewegungsform der besagten graphischen Figur entsprach. Das berühmte Labyrinth von Knossos war wohl kein Gebäude, sondern ein kunstvoller Tanzplatz, wobei die bedeutsame Leitfigur in den Marmor des Bodens eingelegt war.
Die Trennung zwischen Labyrinth und Irrgarten ist im heutigen Sprachgebrauch oft nicht eindeutig.
Das Labyrinth im eigentlichen Sinn bietet in der Wegführung niemals
eine Wahlmöglichkeit. So kann man sich in einem Labyrinth nicht verlaufen,
wie in einem Irrgarten. Die maximale Zahl der Umwege zwingt zum Abschreiten
des gesamten Innenraums. Der Weg ist verschlungen und lang. Er wechselt ständig
die Richtung, führt oft nahe am Ziel vorbei. Aber er ist eindeutig und
führt am Ende zwangsläufig in die Mitte. Das Labyrinth hat stets eine
Mitte, die zugleich Ende des Weges ist. Ist die Mitte erreicht, muss das Labyrinth
auf demselben Weg verlassen werden. Der Weg beginnt von Neuem.
Ein Irrgarten bietet ein verbundenes Wegenetz, bei dem man immer wieder
vor Wahlmöglichkeiten steht. Einige der Wege führen in Sackgassen.
Hier gilt es dann, alternative Gänge auszuprobieren, um zum Ausgang zu
gelangen. Vorstellungen eines solchen Irrgang-Systems liegen schon den schriftlichen
antiken Labyrinth-Traditionen zugrunde, wie z.B. in der Sage
um das minoische Labyrinth.
Am Anfang des 16. Jahrhunderts, am Übergang von Mittelalter und Renaissance
findet sich im Mantuaner Skizzenbuch des Grafen Gonzaga die ersten Darstellungen
von Irrgärten. In seinem Palazzo finden sich viele Darstellungen von Labyrinthen
in Gemälden, Wandbildern, Bodenmustern, Zimmerdecken und in Gartenentwürfen.
Das Labyrinth wird hier aus seinem religiösen Zusammenhang herausgerissen
und in einen weltlichen Kontext gestellt, durch den erst die Unbestimmtheit
vieler Wege möglich wurde. Der Deckenirrgarten im Palazzo Ducale hat die
alte römische Form, aber der elfmal in den Labyrinthweg eingelegte Spruch
"Vielleicht ja, vielleicht nein" deutet schon das Erleben eines Irrgartens
an: Vielleicht stimmt der Weg, vielleicht nicht.
Webmaster | 22.2.2003 |